GESCHEITERTE 2. REVISION DES SCHWEIZERISCHEN ERBRECHTS

16. Juli 2024

Im Newsletter vom Juni 2021 haben wir Sie über die geplanten Revisionen im Erbrecht informiert. Der erste Revisionsschritt, in welchem als prominentestes Beispiel die Pflichtteile im schweizerischen Erbrecht angepasst wurden, ist seit dem 1. Januar 2023 in Kraft. In der zweiten Etappe der Revision des Erbrechts sollte die Nachfolgeregelung für Familienunternehmen im Schweizer Erbrecht erleichtert werden.

Vom Bundesrat vorgeschlagen waren im Rahmen der 2. Erbrechtsrevision folgende Neuerungen zur Erleichterung der Unternehmensnachfolge im Erbrecht:

  • Integralzuweisung der Unternehmung:
    Bereits unter geltendem Recht kann ein Erblasser durch Testament oder einen Erbvertrag ein Unternehmen gesamthaft und verbindlich an einen bestimmten Erben zuweisen (unter Vorbehalt der Pflichtteilsansprüche der übrigen Erben). Hat der Erblasser jedoch keine letztwillige Verfügung getroffen, müssen sich die Erben über die Unternehmensnachfolge verständigen. In vielen Fällen können sich die Erben nicht einigen und es kann in der Folge keine Unternehmensübernahme im Nachlass stattfinden. Es bleibt vielfach nur die Veräusserung bzw. Liquidation des Unternehmens. Dieses Problem wollte der Bundesrat lösen, indem ein Erbe die Zuweisung des gesamten Unternehmens (oder aller in der Erbschaft befindlichen Beteiligungen) hätte verlangen können, sofern der Erblasser hierüber nicht verfügt hat. Würden mehrere Erben den Antrag auf Integralzuweisung stellen, hätte das Gericht entscheiden müssen, wobei es jenem Erben den Vorzug gegeben hätte, der für die Führung des Unternehmens besser geeignet gewesen wäre. Dieser Vorschlag des Bundesrates hätte es ermöglicht, in Fällen, in denen der Erblasser keine letztwillige Verfügung getroffen hat, die integrale Unternehmensübernahme durch einen Erben vorzunehmen und dem Unternehmen somit den Fortbestand zu garantieren.

  • Gewährung eines Zahlungsaufschubes:
    Bei Feststehen des das Unternehmen übernehmenden Erben stellt sich häufig die Problematik der Abfindung der übrigen Erben. Würde das Unternehmen nämlich das wertvollste Aktivum des Nachlasses darstellen, müsste der übernehmende Erbe häufig hohe Ausgleichszahlungen an seine Miterben leisten. Diese Ausgleichszahlungen sind nach geltendem Recht sofort fällig. Ein Mangel an liquiden Mitteln auf Seiten des Übernehmers bzw. im Nachlass kann die gewünschte Unternehmensnachfolge daher faktisch verunmöglichen. Um dieses Problem zu entschärfen, schlug der Bundesrat in seinem Entwurf vor, dass der das Unternehmen übernehmende Erbe gerichtlich beantragen könnte, dass ihm für die Begleichung der Forderung der Miterben ein Zahlungsaufschub gewährt würde. Erforderlich wäre jedoch gewesen, dass ihn die sofortige Bezahlung dieser Forderung in ernstliche Schwierigkeiten gebracht hätte. Auch mit dieser Neuerung hätten Unternehmen vor der Liquidation oder dem Verkauf an Dritte bewahrt werden können.

  • Spezifische Regelungen zur Bewertung des Unternehmens im Falle der Ausgleichung:
    Um eine reibungslose Unternehmensführung sicherzustellen, übertragen Erblasser ihre Unternehmen häufig bereits zu Lebzeiten an ihre Kinder. Sofern die Übertragung (teilweise) unentgeltlich erfolgt, entsteht im Todesfall regelmässig eine Ausgleichungspflicht. Mit anderen Worten muss sich der Erbe den Wert des vorempfangenen Unternehmens im Rahmen der Erbteilung grundsätzlich anrechnen lassen. Gemäss geltendem Recht ist diesfalls für die Bewertung des Unternehmens auf den Zeitpunkt des Erbganges abzustellen (Art. 630 Abs. 1 ZGB). Da zwischen der Übertragung des Unternehmens und dem Ableben des ursprünglichen Unternehmers eine beträchtliche Zeitspanne liegen kann, kann diese Bestimmung zu unbilligen Ergebnissen führen: Hat sich der Wert des Unternehmens zwischenzeitlich erhöht, profitiert die gesamte Erbengemeinschaft davon, selbst wenn der Wertzuwachs nur auf die unternehmerische Leistung des übernehmenden Erben zurückzuführen ist. Um diese Problematik zu entschärfen, wollte der Bundesrat im Gesetz für diese Fälle eine Berechnungsmethode aufnehmen, die zwischen nicht betriebsnotwendigen und betriebsnotwendigen Vermögenswerten unterscheidet, um zu verhindern, dass ein Mehrwert, der durch den unternehmerisch tätigen Erben erwirtschaftet wird, von diesem zusätzlich ausgeglichen werden müsste.

  • Schutz der nicht übernehmenden pflichtteilsberechtigten Erben
    Als Gegenstück zu obigen Massnahmen, die primär den übernehmenden Erben hätten begünstigen sollen, schlug der Bundesrat vor, dass pflichtteilsberechtigten Erben gegen ihren Willen keine Minderheitsbeteiligungen in Anrechnung an ihren Pflichtteil zugewiesen werden könnten. Wenn kein Erbe bereit gewesen wäre, die fraglichen Beteiligungen zu übernehmen und den Pflichtteilserben zu entschädigen, hätte so der Pflichtteilserbe die Veräusserung des Unternehmens verlangen können.

Am 10. Juni 2022 unterbreitete der Bundesrat den eidgenössischen Räten die Botschaft zum zweiten Teil der Erbrechtsrevision mit den erläuterten Vorschlägen für die Revision des Erbrechts.

Im März 2024 lehnte die Mehrheit der Ständeratsmitglieder die vorgeschlagenen Änderungen im Erbrecht ab und versenkte damit die Vorlage zur erbrechtlichen Unternehmensnachfolge.

Die Räte haben entschieden, dass es vorerst keine weitere Erbrechtsrevision geben wird. Die vom Bundesrat vorgeschlagenen Massnahmen hätten die Unternehmensnachfolge im Einzelfall erleichtern können. Vereinfachungen durch den Gesetzgeber sind Stand heute nicht mehr in Sicht.

Die Tatsache, dass die Erbrechtsrevision nicht kommt, macht es in der Konsequenz umso wichtiger, als Unternehmer die Unternehmensnachfolge frühestmöglich zu regeln. Das Konfliktpotenzial zwischen Erben ist hoch, wenn erst im Zeitpunkt des Ablebens über die Übernahme des Unternehmens entschieden wird.

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Sabrina Keller, Gubser Kalt & Partner AG

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